SELBSTBESTIMMUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG IN GEFAHR!!!

Schreiben der BAG an politisch Tätige

Sehr geehrte politisch Tätige, sehr geehrte Beauftragte für Behinderte in Bund und Ländern,

Deutschland hat sich in der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, allen Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zur selbstbestimmten Teilhabe zu geben. Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde ein großer Schritt in diese Richtung gemacht. Nun wird über das Umsatzsteuerrecht die Selbstbestimmung wieder erheblich erschwert!

Wie kommen wir zu dieser Behauptung?

  • Im Umsatzsteuergesetz wird definiert, welche Einrichtungen und Unternehmen von der Umsatzsteuer befreit sind. Dazu gehören z.B. “Einrichtungen, bei denen die Betreuungs- oder Pflegekosten oder die Kosten für eng mit der Betreuung oder Pflege verbundene Leistungen in mindestens 25 Prozent der Fälle von öffentlichen Trägern, z.B. den Trägern der Eingliederungshilfe, ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet werden.” Das sind in der Regel Einrichtungen oder Unternehmen, die eine Leistungsvereinbarung mit dem Kostenträger haben. Es gibtaber inzwischen auch viele Anbieter, die ihre Leistungen über das Persönliche Budget anbieten.Nach einer “Verwaltungsregelung zur Umsetzung des Umsatzsteuergesetzes” (s. Anhang) sind diese Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht von der Umsatzsteuer befreit.

Falsches Verständnis der Finanzverwaltung:

  • Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Geldleistungen des Persönlichen Budgets, die den Budgetnehmer*innen ausgezahlt werden, zu “eigenen Mitteln” der Betroffenen werden. Somit werden Budgetnehmer*innen vor dem Gesetz gleich behandelt wie vermögende Privatkund*innen, die sich ihre Leistungen von ihrem eigenen Geld einkaufen.
  • Wenn das aber so wäre, könnten Budgetnehmer*innen frei über ihr Budget bestimmen und dürften sich mit dem Geld anstelle einer Assistenzleistung z.B. einen Fernseher kaufen.
  • Natürlich weiß jede*r Budgetnehmer*in, dass das nicht geht! Alle Budgetnehmer*innen müssen dem Kostenträger gegenüber nachweisen, dass sie das Geld ausschließlich für die Leistungen verwendet haben, die in der Zielvereinbarung definiert wurden. Wer das Budget nicht zweckbestimmt verwendet hat, bekommt vom Kostenträger die Rückforderung und die Kündigung des Budgets.
  • Mit anderen Worten: Budgetnehmer*innen bekommen das Persönliche Budget nur anvertraut, um es zweckgebunden zu verwenden.
  • Bis heute weigert sich die Finanzverwaltung, sich mit der Leistungsform des Persönlichen Budgets auseinanderzusetzen.

Das führt zu weitreichenden Konsequenzen für Dienstleister, die größtenteils oder ausschließlich Leistungen anbieten, die mit dem Persönlichen Budget finanziert werden:

  • Sie müssen 19% Umsatzsteuer zahlen.
  • Die Leistung dieser Anbieter wird 19% teurer als eine gleichwertige Leistung, die nach § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. (Diesen Text finden Sie im Anhang auch als PDF-Dokument)
  • Anträge von Budgetnehmer*innen, die Leistungen eines solchen Dienstleisters in Anspruch nehmen möchten, werden sehr wahrscheinlich abgelehnt, da Leistungen mit dem Persönlichen Budget nicht teurer sein sollen als vergleichbare Sachleistungen (vgl. § 29 Abs. 2, Satz 7 SGB IX).
  • Dies führt zu einer starken Verunsicherung der Dienstleister, die sich über das Persönliche Budget finanzieren, weil sie befürchten, ihre Kundschaft zu verlieren oder gezwungen werden, ihre Leistungen als Sachleistung anbieten zu müssen.

Was bedeutet das für die Budgetnehmer*innen?

  • Menschen mit Behinderungen haben keine Wahlfreiheit mehr, ob sie die ihnen zustehende Leistung als Sachleistung oder als Persönliches Budget in Anspruch nehmen wollen.
  • Tausende von Menschen mit Behinderungen verlieren im schlechtesten Fall ihre Anbieter und damit ihre vertrauten Hilfesysteme oder dürfen Assistenzleistungen aufgrund der höheren Preise nicht in Anspruch nehmen.
  • Im ländlichen Raum (aber nicht nur dort!) droht ein Versorgungsnotstand, da es bereits jetzt schon zu wenig Angebote für Menschen mit Behinderungen gibt.
  • Wer das Persönliche Budget in Anspruch nehmen möchte, hat nur noch die Wahl zwischen einem Anbieter, der eine Leistungsvereinbarung mit dem Kostenträger hat oder dem Arbeitgebermodell, das er aber alleine organisieren muss. Denn eine Budgetbegleitung wäre ja ebenfalls durch das Gesetz umsatzsteuerpflichtig und somit zu teuer.

Dagegen müssen wir uns wehren!

Wer sind wir?

  • Wir sind Anbieter von Dienstleistungen mit dem Persönlichen Budget, die sich unter dem Dach der Bundesarbeitsgemeinschaft Persönliches Budget zusammengeschlossen haben.
  • Unsere Existenz, und damit auch zahlreiche Arbeitsplätze von Assistenzkräften, die bei uns beschäftigt sind, sind durch diese gesetzliche Regelung bedroht.
  • Wir fühlen uns im Vergleich zu Anbietern von Sachleistungen benachteiligt, weil wir die gleiche Leistung, die mit Mitteln der Eingliederungshilfe finanziert wird, um 19% günstiger anbieten müssten, um Aufträge zu bekommen. 19%, die wir nicht für die Bezahlung unserer Assistenzkräfte oder den Betrieb unserer Unternehmen verwenden dürfen, sondern als Umsatzsteuer an den Staat abführen müssen. Mit 19% weniger können wir keine angemessenen Gehälter bezahlen und unsere Betriebs- und Sachkosten abdecken!

Was wollen wir?

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, die „Hürden, die einer Etablierung und Nutzung des Persönlichen Budgets entgegenstehen, abzubauen“. Deshalb fordern wir:

  • Der Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget und das Wunsch- und Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen muss erhalten bleiben und darf durch das Umsatzsteuerrecht nicht ausgehebelt werden.
  • Die Befreiung von der Umsatzsteuer muss auch für Dienstleister gelten, die ihre Leistungen überwiegend oder ausschließlich mit dem Persönlichen Budget finanzieren.
  • Die Verwaltungsregelung zur Umsetzung des Umsatzsteuergesetzes muss entsprechend angepasst werden.

Für diese Forderungen brauchen wir Ihre Stimme!

  • Als Menschen mit Behinderungen, die das Persönliche Budget in Anspruch nehmen und weiterhin wählen möchten, wie Sie das Persönliche Budget verwenden.
  • Als politisch Verantwortliche, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen stark machen und sich dem Versprechen der Bundesregierung, den Koalitionsvertrag umzusetzen, verpflichtet fühlen.
  • Als Kämpfer*in für Menschenrechte und die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft.

Kämpfen Sie mit uns, dass Menschen mit Behinderungen die Unterstützung bekommen, die sie benötigen und frei wählen können, durch wen sie diese Unterstützung bekommen!

Stehen Sie mit uns für eine gleichberechtigte Behandlung der Dienstleister ein, die Leistungen der Eingliederungshilfe erbringen – ob als Sachleistung oder im Rahmen des Persönlichen Budgets!

Verleihen Sie uns Ihre Stimme für mehr Wahlfreiheit und Inklusion!

DANKE !

Die BAG Persönliches Budget e.V.

im Namen ihrer Mitglieder

Sollten Sie unsere Forderung unterstützen wollen oder haben Sie dazu Fragen, wenden Sie sich Bitte an die Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Persönliches Budget.

Bundesgeschäftsstelle der 

BAG Persönliches Budget
Urbanstr. 100
10967 Berlin
Tel. 030 69 59 75 42 0
Fax 030 69 59 75 42 1

E-Mail: geschaeftsstelle@bag-pb.de